Dienstag, 16. August 2011

Kapitel 57) Harmonie, Vertrauen, Motivation und Loben


Erst kürzlich gab es einige unschöne Videos vom Abreiteplatz an der FEI World Reining Finals in Malmö (SWE) im Internet. Die gezeigte Reiterei (meiner Ansicht nach: Abrichterei) bzw. der Umgang mit dem Pferd hat bei mir nicht nur grauenvolle Gänsehaut hervorgerufen - ich bin auch sehr nachdenklich geworden. Auch wenn es bei so einer Veranstaltung zugegebenermaßen um hohe Preisgelder geht und der Pferdebesitzer vom Trainer verlangt, sich an oberster Stelle zu platzieren, fehlt mir trotzdem das Verständnis für solche Vorgehensweisen. Abgestumpfte, resignierte Pferde mit ebensolchen Augen, erzogen zu "erlernter Hilflosigkeit" durch Strafe. Natürlich funktioniert ein Pferd, das hauptsächlich durch Strafe ausgebildet wird (leider). Es kann sogar nach aussen hin recht erfolgreich sein und artig laufen - doch um welchen Preis ?
Zum Thema "Erlernte Hilflosigkeit" erzählte Alfonso Aguilar auf einem Seminar folgende Geschichte: "Ein Versuch mit Studenten wurde gemacht: 2 Gruppen wurden gebildet - der ersten Gruppe gab man Aufgaben, die in 15 Sekunden gut zu beantworten waren, die zweiten Gruppe erhielt Fragen, die in 15 Sekunden nicht zu beantworten waren. Alle Mitglieder der zweiten Gruppe erhielten bei jeder falschen oder nicht rechtzeitigen Antwort einen kurzen Stromschlag (sprich: eine unangenehme Bestrafung !). Anschließend erhielten beide Gruppen identische Fragen. Gruppe eins konnte eine hohe Anzahl der Fragen beantworten. Gruppe zwei versuchte es überhaupt nicht mehr. Alle Studenten in der Gruppe zwei waren so eingeschüchtert, dass sie eher passiv das Experiment vorübergehen ließen."
Der vor 2 Jahren verstorbene große Horseman Ray Hunt bringt es in seinem Buch "Think harmony with horses" auf den Punkt: "Pferde werden oft missbraucht, nicht (nur) im körperlichen Sinne, sondern auch mental - was keinen Deut harmloser ist. Dann etwa, wenn Menschen auf dem Rücken dieser Geschöpfe eigene Interessen und Egoismus walten lassen, wie etwa turniersüchtige Reiter, die nur um des Pokals Willen starten und kaum den Unterschied zwischen Resignation eines Pferdes und Willen eines Pferdes fühlen..."
Zum Thema Vertrauen schreibt er weiters:" Mein Ziel mit Pferden ist es nicht, jemanden am Turnier zu schlagen, sondern einen Sieg für mich und das Pferd in unserer persönlichen Beziehung zu erlangen ! Du musst zuerst an dir arbeiten und nicht schon das Pferd belehren wollen. Du musst zuerst lernen die Bewegungen, den Zustand und das Gemüt des Pferdes zu erfühlen, unter deinem Sattel und am ganzen Körper, du musst erkennen, wie das Pferd dich verstehen kann und wie es reagiert. Um das Pferd zu verstehen, wirst du realisieren, dass du stets an dir selber arbeitest. Das Pferd wird dir die Antworten geben auf deine Fragen und es wird dich auch testen, ob du sicher bist oder nicht. "
Über die ´gemeinsame Idee´schreibt Ray Hunt: "Während du mit deinem Pferd arbeitest versuche zu erkennen, wieviel von deiner Absicht auch die Absicht deines Pferdes ist ! Das Pferd könnte sich ansonsten nicht unterstützt von dir fühlen und fühlt sich womöglich genötigt. Es antwortet dann mit seiner Körpersprache: mit Schweifschlagen, Beissen, angelegten Ohren, bocken oder der schlimmsten Art, wenn dieser Zustand anhält: mit
Resignation !"

Zum Thema Harmonie weiß Ray Hunt: " Harmonie zwischen zwei Freunden bedeutet auch, dass man sich gegenseitig respektiert. Meine Überzeugung ist: wenn ich etwas frage muss dies für das Pferd verständlich sein, damit es nicht auf den Gedanken kommt, die Initiative an sich zu reissen ! Ich muss also wissen, was ich will und wie ich es mit dem individuellen Pferd erreichen kann, dann wird eine Beziehung zur Harmonie, wenn das Gespür des Reiters und dasjenige des Pferdes sich vereinen, wenn aus zwei Gedanken einer wird. Zeit darf dabei keine Rolle spielen !"

In diesem Zusammenhang habe ich auch einen Artikel von Sacha Jacqueroud gefunden, den ich euch nicht vorenthalten möchte:
"Es scheint eine Krankheit der Westernreiter zu sein, ständig an den Pferden rumzuschrauben und ständig was zu korrigieren. Wenn dann mal ein Release Zustande kommt, ist es oft kaum sichtbar. Noch verkümmerter scheint die Bereitschaft, das Pferd zu loben. Aus Sicht des Pferdes sieht das dann etwa wie folgt aus: ich kann nichts richtig machen, ich weiss nicht, was der Reiter von mir will - oder wenn es dann routinierter ist: hoffentlich ist das alles bald vorbei !
Wird ein Pferd nicht bestätigt oder bestärkt, nagt das, ähnlich wie beim Menschen, an seiner Bereitschaft, an seinem Willen ! Kommen dann noch ständige Nörgeleien und Korrekturen dazu, demoralisiert der Reiter sein Pferd."

Wie ist das nun mit der Motivation ?
Wird ein Pferd im richtigen Moment gelobt (egal ob mit Stimme, Streicheln, Release etc.), bekommt es ein gutes "Feeling" und es wird diesen Komfort suchen, sich also sogar ein Stück selber verbessern auf der Suche nach dem Lob. Loben motiviert also das Pferd ähnlich wie den Menschen auch, was wiederum auch die Moral des Pferdes deutlich anhebt. Daher ist es auch verständlich, dass ein gelobtes, motiviertes Pferd sich nicht nur selber verbessert, sondern sogar beginnt mutiger zu werden, weil es schon davon ausgeht, von uns bestärkt zu werden. 
Richtige Vaqueros nutzen die Methode des Lobens unentwegt, seit Generationen. Sie können es sich nicht leisten, einen demoralisierten "Kameraden" zu reiten, denn oft genug vertrauen sie ihren Pferden draußen in der Wildnis ihr Leben an.

Ich mache selber immer wieder die Erfahrung, dass unsere Pferde Jac und Woody sehr gut auf Stimmlob und Streicheln reagieren - bei der klassischen Handarbeit gibt´s auch mal ein Leckerli. Sie werden aufmerksamer, sind "bei der Sache" und bieten sich an. Wunderschön finde ich es,wenn sie abschnauben, lecken, kauen und mir zeigen, dass sie zufrieden sind.

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